Vorbemerkung:
Schon als Jugendlicher habe ich versucht, mich mit Nietzsches Zarathustra auseinander zu setzen. Jahrelang habe ich mich damit herum gequält, immer mal wieder in das Büchlein hinein geschaut, es aber nie komplett von Anfang bis Ende durchgelesen.
Erst als ich für mehrere Jahre im Iran tätig war und mir die damals miterlebte kriegerische Auseinandersetzung mit dem Irak die Augen öffnete, dass auch mein Leben urplötzlich zu Ende sein könnte, begann ich, mich wieder mit dem Zarathustra zu beschäftigen. Ich fasste den Entschluss, ihn für mich selbst so zu „übersetzten“, daß ich ihn für mich heute verstehen würde.
Nachstehend das Ergebnis. Die „Übersetzung“ ist noch nicht vollständig, aber auch so ein ziemlich weiter Einstieg in Nietzsches Gedankenwelt. Und vielleicht schaffe ich es ja, nach einer Pause von über 30 Jahren doch noch auch den Rest zu erschließen?
GLUT UND KOHLE
SO SPRACH
ZARATHUSTRA
Werner Kastens
ERSTER TEIL
Zarathustras Vorrede
Ohne eignen Schatten
steig’ ich fremd herab
als Licht der Unterwelt
mich Euch zu verstrahlen.
Den Menschen nichts geben,
nicht wecken ihren Schlaf,
ihrem Misstrauen fliehen,
zurück in den Wald,
um sie zu verachten,
wie an den Heiligen
sie betteln lassen
an meinem Saume?
Almosen hab’ ich nicht
und nehmen will ich nichts,
denn ich brauche keinen Gott!
Euren Nervenkitzel wollt Ihr,
lacht mich aus als Possenreißer:
verstellt Euch nicht den Sinn!
Eure Vernunft ist nichts als Armut,
lässt Euch nicht hungrig sein,
die Tugend macht Euch müde
und lullt den Blick Euch ein.
Glut und Kohle müsst Ihr sein,
um recht und rein zu sehen!
Des Mitleids Kreuzigungen
soll mein Blitz zerschmettern,
denn Glück ist Euer Dasein schon!
Drum frevelt an der Erde nicht,
sie ist Euer einzig’ Sinn,
überwindet Euch nur selbst:
denn groß sei der Mensch!
Betretet diesen schmalen Grat
ohne Angst und ohne Schaudern
der Euch führt vom tumben Menschen weg.
Geht über diese Brücke hin in Sehnsucht,
weit vor den flimmernden Sternen
auf Eurer grünen Erde
und für eine lichte Zeit!
Verzaget nicht vor des Zufalls Glück,
verschwendet Eure Seele
staunend und mit offenem Herzen,
und Euer freier Geist
wird freudig einem Ziele leben,
die Menschen zu erheben
übers eigne Selbst hinaus!
Ich sehe keine Sehnsucht glimmen,
der Neugier Drang erstickt:
sie wollen nur recht glücklich sein,
nehmen was da kommt und ohne Last,
sich fein bilden und ihre Träume stillen
für einen angenehmen Tod,
die kostbare Zeit bequem zerschneiden
ein jeder wohl mit gleichem Recht
und alle auf nur eine Art:
dafür würden sie gar küren mich
und jubelnd schnalzend lachen
aus ihren flöhernen Gesichtern!
As einz’ger wohl in diesem Rund
dem Gestürzten werd’ ich helfen,
der durch übermüt’gen Streich
zu schnellem Tode unversehens kam,
und der um seine Seele zittert
und vor des Teufels polternd’ Schritt.
Zu fürchten hast Du nichts, mein Freund,
denn die Hölle ist ein leerer Wahn,
und wenn Du auch Dein Leben lässt,
so warst Du doch kein tanzend’ Bär.
Der Gefahr hast mutig Dich gestellt,
auch wenn’s scheinbar bessre gibt,
mit ihr hast’ überwunden Dich
und Anspruch auf ein ehrlich’ Grab.
Bevor ich Dich begrabe nun,
und hier allein mit Dir
in einsam’ kalter Nacht,
erkenn’ ich deutlich wie ein Licht,
dass für alle die Entfernten
einen fest’ren Sinn zu schmieden
ich vom Berg gekommen bin,
zeigen muss ich gar geschwind’
wie zu wecken und zu fördern hell
ihre so verdunkelten Talente.
Verschwinde, wir hassen dich,
so dröhnt’s mir noch im Ohr
von ihrer züngelnden Moral,
verziehen sei dir dieses eine Mal,
weil dich recht erniedrigt hast!
Totengräber sind’ sich selbst
ihre gewasch’nen Hände!
Der Alte, dem ich klopfte
wenigstens uns speiste,
mich und mein tot’ Gesell’,
so schütz’ ich seinen Körper
und leg’ ins Moos mich her.
Dieser Morgen macht mich klar:
wie nur verrannt’ ich mich
in hilfreich güt’gen Versuchen
solch tot’ Volk zu beleben!
Mit Mitteln muss ich kämpfen,
die sie gewohnt zu versteh’n,
ihren Hass mehr noch schüren,
indem ihre Werte ich zerbrech’,
und mit einer Handvoll Schülern
ihnen neue Tafeln schreib’.
Provozieren werd’ ich sie
bis mehr und mehr mir folgen
und wir eine überzeugend’ Macht!
Leb’ wohl du stumm’ Gesell’,
ich muss zur Tat nun schreiten!
Stolz des Herrn der Lüfte
vereinige sich in mir
mit der Schlange Klugheit,
den gefährlich kühnen Gang
der Sonne gleich zu geh’n!
Die Reden Zarathustras
Von den drei Verwandlungen
All das bunte Treiben,
meine guten Brüder hier,
hält von unsrem Denken wenig,
das Ihr entwickeln müsst.
Über viele tausend’ Jahr’
ein allzu starker Geist
Euch umklammert hielt,
dem manches zwar geriet,
Euch falschen Hochmut nahm,
Bescheidenheit Euch lehrte,
für die Wahrheit einzusteh’n.
Doch setzt’ er Euch ‘nen Höcker auf,
und auf Dauer nahm er
die Luft zum freien Atmen,
den Mut zum eignen Nein.
Euren Willen lähmt er,
neue Pfade zu entdecken,
Herr zu sein mit eigner Würde:
wie der Wüsten König stolz.
Drum müsst Ihr neu beginnen:
Ja, wie ein Kind zu lernen,
zum Geist im rolln’den Rad,
das Ihr mit Lust wollt biegen!
Von den Lehrstühlen der Tugend
Die viel gerühmten Lehrstuhl-Strategen,
was sie geben als Sinn des Strebens,
selbst nur suchen’s: leichten Schlaf,
genüsslich wiederkäuend ihre Taten,
mit den sie müd’ Euch machen,
auch vor der krummen Obrigkeit.
Die Zeit ist um, zu schlafen nur
auf einem ruhig’ Gewissen,
das um Eure Tugend schön gebettet.
Träume sollten schütteln Euch
von den hohlen Apfelbäumen
und ein bessrer Sinn fürs Leben
wird fallen dann in Euer Wachen!
Von den Hinterwäldlern
Lauft nicht davon
wie ich es einst getan,
als ich noch wähnte
einen fügend’ Gott
hinter all den Qualen,
der am Zerbrechen
sich noch labte.
Aber dieser eine Gott
und sein düstrer Himmel
war nur Menschenwerk,
künstlich seine Welt
die wir erschufen,
um zu verschanzen uns
vor eignem Unvermögen.
In den Bergen hoch
eine hell’re Flamme
fand ich wohl,
die aus mir heraus
alleine wärmend brennt.
Die Müdigkeit ist hin,
Verzweiflung überwunden,
und des Daseins Wunder
ist mehr als Anker,
schaffend und wollend
und mit neuem Stolz
zu dieser holden Erde
und zu uns selbst
uns zu bekennen.
So schleicht nicht beiseite,
sucht Euer ganzes Glück
hier unten auf der Erde,
lasst den Glaubenden
den Blick nach hinten,
aber Ihr Erkennenden:
blickt nach vorn!
Von den Verächtern des Leibes
Schamvoll blicket Ihr
zu Eurem Körper nieder
und hoch nur verehret
des Geistes hehre Taten
als markig Zeichen Ihr
für Euer selig’ ICH.
Habt Ihr denn vergessen,
dass vor allem Denken
die unauflöslich’ Einheit
von Geist und Körper
vorgegeben ward,
die Sinne allemal,
und gar des Geistes Ohr,
bescheid’ne Diener sind
des einen Ganzen Selbst,
beizustehen helfend ihm,
damit er schaffend wachse
weit über sich hinaus?
Engt doch Euer Selbst
nicht so schnürend ein,
die Kraft erlahmet sonst,
die Euch vorwärts bringt
über diese helle Brücke
zu höherwert’gem Sein.
Von den Freuden- und Leidenschaften
Wo viele Gleiches tun,
da fehlt ein starker Sporn,
und viel ist nicht erreicht.
Solang’ Du selbst noch
um richt’ge Worte ringst,
Deine Tugenden zu fassen
aus ihrem edlen Widerstreit,
solang’ Du stammelnd
und ohne äuß’ren Zwang
mit höchstem Herzen fichst,
solang’ wird von Dir fallen
Deine jetzig’ ledern’ Haut
und wirst Du aufwärts gehen
vom unteren Gang hinan
die schmale Treppe hoch
zum hell’ren Lichte.
Vom bleichen Verbrecher
Ihr wollt schnell mal eben
diesen Mann hier richten,
den Ihr Verbrecher nennt,
und Euer garstig’ Gewissen
steht gar keck noch an,
dass selber schuldig doch
er sich Euch bekenne!
Wo ist Eure Liebe bloß,
Euer Drang zu versteh’n,
dass diese Taten er
von welker Seele Stahl
nur gedrängt vollzogen?
Wehe wollt’ er tun
nur mit dem allein’
was Ihr ihm verwehrtet.
Gelassen führt Ihr so
Euer gesetzt’ Regime:
oh’ wie ekelt mich
Eure Erbärmlichkeit.
Dennoch seht Euch vor:
Eure Krücke aber
bin ich nicht,
auf die Ihr greift,
wenn Ihr den Stock
mal zeitweis’ braucht!
Ein Geländer bin ich
am reißend’ Strome,
zu retten hilfreich den,
der mich fassen will!
Vom Lesen und Schreiben
Stöhnt mir doch nicht vor,
das Leben sei gar schwer:
belastbar sind wir alle.
Löst Euch von dem Ernst
des Geistes der Schwere,
findet einen tanzend’ Gott,
der Euch das Fliegen lehre,
damit er frei gleich mir
durch Euch tanzen kann.
Das könnt Ihr nur erreichen,
wenn Ihr so anders denkt wie ich:
Glück ist wie ein Schmetterling
und fliegt Euch nur davon,
oder leicht wie eine Seifenblase
zerplatz’s Euch eh’s gedacht.
So ist mit Eurem Denken
wenn Ihr’s zersplittern laßt
wie’s Euch grad’ bequem:
morgens dies und abends das.
Ganzheitlich müßt Ihr sein
in einem hohen Denken
und nicht mit Schund Euch
billig lahm zerstreu’n:
nur das ist’s wert,
daß Ihr es leset,
und daß es geschrieben ward,
wo – auch wenn mit Mühen –
Ihr das Blut des Herzens
kräftig brausen hört,
und an dem nur sollt Ihr
messen Euch im Fliegen,
damit es leicht Euch werde.
Vom Baum am Berge
Du brauchst mir nicht zu fliehen,
und ich fühle wohl den Schmerz,
der dem unsichtbaren Winde gleich
durch Deine Seele stürmisch fegt.
Gleich einem Baume willst Du wachsen
mit hoher Krone weit über Dich hinaus,
die Wurzeln aber halten Dich
im Guten Alten ziehend fest.
Du meinst, Dich würd’s zerreißen
und lieber tät’st versinken,
verachtend gar Dich selbst,
zurück in Dein verlor’nes Gestern,
und wenn’s von Übel wär’.
Verzage nicht, mein teurer Freund,
viele hab’ ich fallen seh’n,
die ob des schweren Weg’s
zu früh gestrandet sind.
Der Pfad ist steil zur Höhe
und Neid ihn oft zerstört,
aber willst Du Neues schaffen,
richt’ge Freiheit Dir erkämpfen,
halt’ den Helden Deiner Seele wach:
laß die Hoffnung in Dir glühen
und die Flamme Deiner Liebe
lodernd in Dir brennen
und von keinem Windstoß Dir
aus Deinem Herzen blasen!
Von den Predigern des Todes
Hört nicht auf die Pessimisten,
viel zu viele gibt’s davon,
die schaudernd hin und her sich winden
in ihrer Lust und Wunsch nach Tod,
die mit spitzen Fingern zeigen
auf jeden Kranken, jeden Greis,
den Lebenswillen Euch vermiesen
und sich gemein erlösen wollen,
indem in Ketten sie Euch legen,
Euren Geist in Mitleid binden.
Dreht nur um den falschen Spieß
indem Ihr an das Leben glaubt
und Ihnen klar beweist,
daß sie schon gestorben sind!
Vom Krieg und Kriegsvolke
Der Krieg für’s Gute, der sei heilig,
und freiwillig nehmt den Befehl,
Ihr, die weder Haß noch Neid zerstört’,
die Ihr Euren Nächsten liebt
und Eure Feinde hoch verehrt
selbst wenn Ihr unterliegt:
in friedlichen Zeiten seid bereit,
rüstet Euch für neue Taten
zur höchsten Hoffnung hin
und stolzen Liebe für das Leben,
damit im Kampf Ihr überwindet
und besiegt Euch selbst!
Vom neuen Götzen
Der alte Gott fand ‘nen guten Schüler,
der gleicher Methoden eifrig sich bedient,
Verehrung und Gehorsam zu erpressen,
aller Macht rasch einz’ger Herr zu sein,
das einst das Volk im Guten angedient.
Den Lorbeerkranz wand keiner ihm,
allwissend läßt er selbst sich feiern
und bläht sich auf zu einem Wasserbauch
voll Wahnsinns-Schlamm und Tiefe.
Hütet Euch, Ihr Brüder, vor dem Morast,
denn Euer leuchtend’ Regenbogen
beginnt erst dort und dann zu glühen,
wo des Staates ungezügelt’ Macht beschränkt!
Von den Fliegen des Marktes
Schauspieler mit ihrer klugen Kunst
fangen uns ein mit Getöse,
machen uns glauben ihre Wunder,
eitle Herren einer kurzlebigen Zeit.
Und so wie sie gedrängt von der Stunde,
so drängen sie auch Dich und mich,
verlangen, ein Entweder/Oder zu entrichten,
für ihre krassen Schwarz-Weiß Idiolatrien,
die einem empfindsam tief’ren Geist verdächtig.
Aber so wie die Herren der Zeit aufspielen,
so eifern die Ergebenen ihnen hurtig nach,
und mit vorgetäuschten Schmeicheleien,
Liebenswürdigkeit und blutlosen Seelen,
versuchen sie, Schlingen Dir zu legen
als Stolperdraht von einem unrecht’ Gewissen.
Hüte Dich vor diesen beiden Seiten,
den schneidend’ Degen und den Stacheln klein,
provozier’ sie nicht mit falscher Milde:
mit ihnen und für sie mußt Du leben,
aber laß sie nicht Dein Leben sein!
Von der Keuschheit
Allzuleicht wird man verführt
von des Fleisches sinnlich’ Lust.
Zu gering gereich’ Euch dieses:
in der Torheit Narrenkappe
eine wunde Seele kommt zu Euch.
Ein lachend’ mildes Herz dagegen
weiß frei zu finden seine Stund’!
Vom Freunde
Die Kette edler Freundschaft
sei aus lose glänzend’ Gliedern:
Dein Gefang’ner sei er nicht,
weder Du ihm untertan.
Sei bereit, ihm beizusteh’n,
auch die Seiten zu akzeptieren,
die Dich im kritisch’ Lichte seh’n.
Sei Ansporn ihm zu Höh’rem
und denke wohl daran,
daß er widerspiegelt Deine Art.
Überford’re seinen Willen nicht,
lad’ Dich nicht gleich nur ab,
sei Widerstand ihm, wenn nötig,
und geleit’ ihn sacht an seinen Weg.
Besitz erheischende, sperrende Seelen
werdet so, ob Mann, ob Frau,
als Partner Ihr erhöhen.
Halt’ besonders auch im Auge,
daß gar mancher schon so oft
nach Deiner Freundschaft sucht’,
der nach außen hin gar Dir
die kalte Schulter zeigt’!
Von Tausend und Einem Ziele
Vielfältig schillernd sind die Werte,
die sich eine suchend’ Völkerschar
über ein paar tausend Jahre selber gab.
Aus der Gemeinschaft sprießt das Ich,
welches schaffend aus dem Bund sich löst’,
für sich selbst allein zu sprechen.
Gut und Böse ward zur größten Macht,
entwickelt’ sich zu einem Ungetüm,
scheidend mittels Lob und Tadel.
Diese tausend bunten Köpfe,
wer führt sie zu dem Einen Ziel
auf eine große Menschheit hin?
Von der Nächstenliebe
Aufgrund des alten innig’ Triebes
fühlen wir zum Nachbarn uns gezogen,
lassen ab von den schneidend’ Bildern,
die uns malt eine fern’re Welt.
Uns’re eil’ge Liebe zu dem Nächsten,
oftmals verwechseln wir’s mit dem,
was uns selbst am nächsten liegt,
wenn wir uns verlieren möchten
oder Eigenlob erhaschen woll’n,
vergessen, daß mit einem schaffend’ Freund
die Zukunft sich erschließen wird,
und aus des Zufalls manch’ Geburten
unsere bess’ren Zwecke vor uns leuchten.
Vom Wege des Schaffenden
Wer nach höh’ren Lichtern sucht,
geht leicht selbst dabei verloren,
da es oft falsch’ Ehrgeiz ist,
der mit nassem Holz nur brennt,
oder lang’ eingebläut’ Gewissen
noch zu heftig in uns schlagen.
So unendlich Kraft gehört dazu,
in schierer Freiheit sich zu wiegen,
ohne daß man fälschlich meint,
einem Joche nur entwischt zu sein.
Willst Du den Kampf bestehen,
Dich von alledem zu lösen,
was einstmals wert Dir war,
ihren neidisch’ Blicken widerstehen,
weil sie grad’ der Meinung sind,
Du hättest sie mißbraucht?
Wirst Du gerecht sein können denen,
die Dich sodann verachten,
kannst Du liebend dem verzeih’n,
den Du unter Dir willst lassen,
kannst im Zaume halten Dich,
mit eisern-fester Disziplin,
haushalten mit Deinen Gefühlen,
selbst Dein ärgster Feind zu sein,
um im eig’nen Feuer zu verglüh’n?
Ahnst Du in Deinem zitternd’ Herzen,
welche Schmerzen Liebe fühlt,
wenn sie gezwungen, zu entsagen,
was Du je und wie geliebt?
Wenn Du bewußt entscheidest,
daß Du nicht verzagen wirst,
und auf Gerechtigkeit kannst warten,
dann schaffe Dir die Neue Welt!
Von alten und jungen Weiblein
Ein Mütterchen kreuzt’ mir den Weg,
ich solle über Frauen sprechen.
Wohlan, ich halt’s für gut und weise,
wenn die richt’gen Gaben fließen
aus der jeweils bess’ren Hand;
die Frau gebe sich als Edelstein
und im Lichte fern’rer Tugend
der Liebe zur Familie hin,
wobei ihr Augenmerk soll gelten
auf lichtvoll strebend’ Kinder hin.
Zur Ehre wird ihr’s, mehr zu lieben,
als ihr je gegeben ward,
ihr Opfer wär’ ihr Lohn genug.
Doch ein jeder hüte sich
vor ihrem tief’ren Stachel,
wenn man sie gekränket hat.
Der Mann beglückt sich mit dem Willen,
im Verzichten geht sie ihm voran.
Ungleichheit liegt in ihren Seelen.
Die alte Frau, sie nickt mir zu,
vertraut mir ihre Wahrheit an:
wenn Du zum Weibe gehst,
so vergiß die Peitsche nicht!
Das Zitat des greisen Mütterchens,
ich geb’s so an Euch weiter,
denn als Kutscher sitzt Ihr auf dem Bock,
bis der richt’ge Weg gefunden.
Vom Biß der Natter
Die Erkenntnis der Schlange
ist klein gegen meine Sicht,
drum kann sie mich nicht töten.
Und in diesem Sinne sag’ ich Euch:
widersteht dem anerzogen’ Drang,
Böses mit Gutem zu vergeben.
Ihr beschämt den And’ren nur.
Geschieht ein Unrecht Euch,
so erhöht den Kontrahenten,
indem Ihr selbst gleichwohl
ein kleines Unrecht tut,
denn nur ganz alleine der
soll Unrecht auf sich nehmen,
der es auch ertragen kann.
Sehenden Auges müßt Ihr lieben,
um gerecht und gut zu sein:
so gleiten Lügen an Euch ab.
Seid auch einfach weise,
nicht in jedem einsam’ Stil
ein unrecht’ Tun sogleich zu seh’n.
Sensibler sind sie nur wie Ihr
und ein Steinwurf trifft sie mehr,
als würden sie ihr Leben geben.
Haltet’s mit der hell’ren Liebe,
die aus scheinbar’ Schuld erblüht!
Von Kind und Ehe
Gehört nicht zu den Vielen,
deren Seelen ganz verarmen,
weil sie eilig Schutz nur suchen
in einer still-bequemen Ehe,
und die Nachwuchs haben,
weil sich’s so gehört.
Ein eisern’ doppelt’ Wille,
der leite Euch vielmehr,
in Ehrfurcht voreinander,
im zweifach lodernd’ Lichte
über Euch hinaus zu lieben
in der Sehnsucht Eurer Kinder.
Vom freien Tode
Frei sei der Tod
von uns’rem Halten,
siegreich und würdig
in vollbrachter Tat!
Ein Vorwärts sei Er,
für Euch, zu lieben
mehr noch diese Welt.
Denn in die Wüste geh’n,
das sollt Ihr nicht:
zu leben sollt Ihr lernen
für ein edles Ziel,
zu reichen an die Erben,
daß sie mit Eurem Recht
dann weiter streben
zur Einen Wahrheit hin.
Von der schenkenden Tugend
Allein nun muß ich weitergeh’n,
meine Jünger, gehabt Euch wohl!
Schreitet eifrig fort in Eurem Suchen
und legt die Quellen Eurer Tugend frei:
ein breit’ und wallend’ Herz,
Erhabenheit über Lob und Tadel,
ein liebender Wille zur Freiheit hin.
Wende als Notwendigkeit gedacht,
und all das Angenehme verachtend,
so wächst Euch ein wollend’ Geist,
der golden veredelt die Gedanken,
so daß in Taten Ihr Euch verschenken könnt.
Oh, Brüder, bleibt mir der schönen Erde treu
und mit ganzer Kraft dient ihrem Sinn allein.
Ihr Suchenden und Kämpfenden von heute
seid von Eurer schimmernd‘ Zukunft aufgerufen,
liebend all das in Asche zu verbrennen,
was an Torheiten vielhundertfach begangen.
Nach neuen Pfaden müßt Ihr suchen,
die tausendfach noch nicht gegangen sind,
um dieser Erde Hoffnung Herr zu werden.
Auf dem glaubenslosen Weg
habt Ihr mich gefunden,
lauscht nun meinen Reden,
ohne daß ich Euch gesucht!
Aber es heißt, mich zu verlieren,
denn Schüler bleiben nur,
das dürft Ihr länger nicht.
RUPFT ALLE Blätter einzeln mir
nur von meinem Kranze,
daß mit freudig’ Herzen
ich Euch in Freiheit seh’.
Und erst wenn auch Ihr
mich verleugnet habt,
komm ich nach Euch suchen,
und will mit Euch erleben
den Glanz des Neuen Menschen!
ZWEITER TEIL
Das Kind mit dem Spiegel
Wie ward’s mir doch so schwer
über all’ die langen Jahre hin,
meine neue Weisheit zu bewahren.
Bis jetzt im Traum ein Kind mich rief
und mir einen Spiegel hielt:
Mahnung war’s genug für mich,
daß meine Freunde sind in Not.
Hinab muß ich eilen,
um mit meiner Liebe starkem Sturm
die Lehre wieder rein zu blasen.
Auf den glückseligen Inseln
Mein schaffender Wille
verdrängt mir meinen Gott.
Als Mensch will ich dienen dem,
was ich mir denken kann,
was sichtbar wird durch mich
und mein Gefühl berührt.
Geleitet sei mir diese Welt
durch Vernunft aus uns allein,
und unser Wille veränd’re sie
in unserem Bild von Liebe!
Unbegreiflich sind wir nicht
und auch nicht Unvernunft.
Und gäb’s die Götter alle,
wie hielten wir’s denn aus,
nicht zu sein wie sie?!
Schatten sind wir nicht!
Der Mensch sei sich selbst genug,
sein Wollen ganz alleine nur
kann ihm die Befreiung bringen,
denn was nützt uns das,
wenn alles schon geschaffen wär’?!
Vergänglichkeit, die stirbt in uns,
indem wir selbst uns nützlich machen
und mit stet’gem Willen streben
auf eine leuchtend’ Schönheit hin,
die sehnsuchtsvoll gewollt
am Horizont ich kommen seh’!
Von den Mitleidigen
Mitleid ist nur schamlos
und dem Leidenden kein Trost.
Bestätigt’s ihm doch nur,
wie sehr er unser aller Opfer ist!
Barmherzigkeit ist selber krank.
Ich kann sie gar nicht teilen:
Freude will ich lieber schenken,
damit das Leid vergeh’.
Eine täuschend’ Hand nur bald
wird lose abgeschlagen sein,
denn Hilfe sollt’ nur geben,
wer dabei die Scham erspart!
Je mehr wir voneinander wissen,
Umso höher türmen sich die Schwellen.
Unerkannt drum soll sie bleiben:
Nur-Nehmen-Können ohne Dank
verhindert neue Schuld-Gefühle.
Mitleid kann nicht reine Liebe sein,
denn sie muß das fern Geliebte
erst noch selbstlos wollend schaffen.
So überantworte ich mich denn
und Euch dazu meiner einzig’ Liebe!
Von den Priestern
Ihr eig’ner großer Gott
stürzte sie in taube Fesseln
von wehleidig’ Lehren nur.
Anstatt frei und hoch zu fliegen,
sollen auf ihren Knien sie
als Sünder bettelnd rutschen.
Verbergen sich in hohen Mauern,
damit der reine Himmel sei bedeckt,
wissen ihren Gott zu lieben nur,
indem sie uns ans Kreuze schlagen:
Gefangenen selbst und abgerichtet,
mit Blut befleckt ihr Weg,
der weiter sie im Kreise führt.
Aus Angst Gebor’nes, Weheleid
kann nur solche Freiheit zeugen,
die am Schwachen hängt.
Mitleid tropft aus schwülem Herz,
höhnisch lacht’s aus kaltem Kopf!
Von ihrer Erlöser fesselnd Qual
erst müßt Ihr sie befrei’n,
denn das ist auch der Weg,
den Ihr selbst noch gehen müßt
zum erkennend’ Ziel des Menschen.
Von den Tugendhaften
Tugenden aus mancher Hand,
die alle nur nach Lohn verlangen,
daß man sie nicht zählen kann.
Die schlimmsten aber unter ihnen
erdrücken ganz die And’ren,
fordern absolut’ Gehorsam ein,
um strafend nur zu rächen,
und wenn sie mal nicht hassen,
glauben schon, sie wär’n gerecht.
Was sie selbst nicht schaffen,
erklären sie zu Gott und Tugend,
gehen allem aus dem Wege,
begrüßen das als Meinung,
was man ihnen zugedacht,
und was als Lohn und Strafe
in ihren hohlen Seelen schwimmt.
Wie Mütter müßt Ihr denken,
die um ihre schenkend’ Liebe
niemals je ein Wort verlor’n,
die aus Hohem Selbst nur handeln
und deren Tugend weiterstrahlt,
wenn lang schon sie vergessen.
Vom Gesindel
Unlaut’re Seelen ungezügelt
vergiften all’ die guten Brunnen,
mißbrauchen Macht und Feder,
uns’re Träume zu beschmutzen.
Wohl, wir brauchen Widerstand,
aber solchen schleichend’ nicht!
Laßt höher uns noch schwingen
und aus uns’ren luft’gen Höhen
ihrem Geist den Atem nehmen,
daß an ihrem eig’nen Speichel
einmal noch sie lecken!
Von den Taranteln
Durch Gut und Böse,
Reich und Arm,
Hoch und Gering
muß das Leben
immer wieder selbst
stufenweise sich
ständig überwinden.
Denn in die Höhe
will es bauen,
steigen muß es lernen
nur an sich selbst.
Gleichheit gibt es nicht,
schrieb die Geschichte,
und soll und wird es
auch nicht geben,
denn nur aus Widerspruch
wachsen wir zum Lichte.
Die Giftspritzer aber,
die nur strafen wollen,
was nicht ihnen gleich,
deren Lob verletzt,
und deren Seligkeit liegt im Richten:
traut ihnen nicht,
denn sie streben selbst
nur an die Macht
für ihr Gut und Böse,
oder wie sie’s nennen
von ihren Eltern schon:
wahre Gerechtigkeit.
Brennt ihnen aus den Neid
mit Eurer Zuversicht und Liebe,
die Eure Wirbelsäule sei,
hütet Euch vor ihrem Biß
aus verdrehtem Munde!
Von den berühmten Weisen
Diener sein dem Volke,
es durch Euren Geist erhöh’n
und selber an ihm wachsen:
dafür zoll ich Beifall Euch.
Nicht jedoch dafür,
daß Ihr so verführt,
indem Ihr hingebt Euch
der schnöden Macht,
und sie befriedigt gar
durch Jagd auf freie Geister,
die ausgeschert durch Schmerz,
und den Menschen glauben macht,
daß Gott mit Eurer Stimme
in ihrer Wahrheit spricht.
Verehrung zeigt Ihr nur,
seid recht günst’ge Diener.
Wie das Volk so auch Ihr
steht dem hohen Geiste fremd.
Denn Geist ist das Leben,
das sich selber schneidet
und an der eig’nen Qual
sich selbst erhöht.
Geistes Glück ist Opfer sein,
Geist ist wie die Macht
der großen Sonne,
die selbst den Blinden quält!
Ist Grausamkeit des Hammers,
der den Amboß schlägt,
ist Stolz und Mut,
aber auch Bescheidenheit,
lehrt den Erkennenden
zu bau’n mit Bergen
und wie ein starkes Segel
über’s Meer zu geh’n.
Bleibt zu Haus’ Ihr lieber,
Ihr ungebeugten Weisen,
denn wer kein Vogel ist,
soll über Abgründen
nicht verheerend kreisen.
Das Nachtlied
Wär’s nur Nacht für mich,
könnte auch nach fremdem Licht
wieder ich mich sehnen,
kennt’ ich doch das Glück
des Nehmenden auch einmal
und nicht nur die eig’ne Hand,
die schon Schwielen zeigt vom Geben,
fühlt’ ich doch deutlich wieder
die Scham gebor’n aus Schenken,
könnt’ ich greifen die zittrig’ Hand,
die sich zu mir gebend streckt!
Wie schmerzhaft ist’s mir doch,
ein gleißend Licht zu sein,
mit kaltem Willen anzufliegen
unerbittlich gegen and’re Sonnen!
Aber kaum, daß sie wirklich da,
so stimm ich meiner Liebe Lied
für Euch erneut doch an!
Das Tanzlied
Eure eig’nen Tugenden
sprecht Ihr dem Leben zu,
doch gleicht’s wohl eher
Euren geliebten Frau’n,
zu denen es Euch zieht,
nicht nur weil Ihr sie
begehrend sucht und wollt
oder innig gar so liebt!
Mehr noch zieht’s Euch hin,
wenn sie unergründlich scheinen,
Ihr sie haschen müßt
hinter Ihrem Schleier,
wenn trotzig sie sich wehren,
morgen wieder anders sind,
Euch an der Nase ziehen.
So sind Eva’s Töchter,
und die Wahrheit ist wie sie.
Beide sind wie das Leben,
und flüchtig sind sie alle,
wenn es langsam dunkel wird.
Das Grablied
Zerstört von meinen Feinden
sank meine Jugend mir ins Grab.
Aber meiner flüchtig’ Gedanken
liebend’ Erbe bin ich noch,
auch wenn in Unschuld wir
ungewollt uns trennen mußten.
Ihr stahlt mir meine Reinheit,
brachtet schlaflos-quälend’ Nächte,
wiegeltet die Liebsten auf,
so daß die höchste Hoffnung
unerlöst mir blieb.
Dennoch habt Ihr mich
nicht bezwingen können,
unverwundbar war mein Wille
über all’ die Jahre hin,
und der Drang des Unerlösten
schreitet fort in seinem Gange,
wird mir Eure Gräber sprengen
und neu gebor’n in höh’rem Lichte!
Von der Selbstüberwindung
Ihr Weisesten in Euren Träumen,
schaffen wollt Ihr noch die Welt,
vor der Ihr knien könnt,
weil die „absolute Wahrheit“ Ihr
Euch selber schenken wollt,
damit weiter Ihr mißbrauchet,
was Euer herrschsüchtig’ Wille
in des Volkes Nachen setzt,
den Ihr heimlich steuern wollt.
Eure Wahrheit, sag’ ich Euch,
die Eurem Geist entspringt,
will sich nur berauschen
an vorteilhafter Nacht:
denn Ihr unterwerft Euch
dem streng’ Gehorsam nicht,
dem alles Lebende sich befiehlt
und dem es selber Opfer ist.
So wie sich das Leben zeigt,
da ist der eingebor’ne Wille
auch zu reiner Macht.
Das Klein’re gibt sich gern
frei dem Größ’ren hin,
damit es selbst dem Kleinsten
auch befehlen kann.
Anders als Ihr Weisen
das Größte aber wiederum
setzt selbst das Leben dran,
riskiert sein´ Untergang,
opfert sich zu laut’rer Macht
im Kampf des Werdens
und der heilig’ Zwecke
und zu derem Widerspruch.
Immer wieder muß das Leben
selbst sich kämpfend überwinden,
und aus seinem ewig’ Dasein
steigt der mächt’ge Wille
aus wechselnd Gut und Böse,
im verzehrend’ Feuer
höh’re Wahrheit noch
stetig neu zu schmieden,
neue Schriften uns zu gießen,
damit wir manches Haus
noch in die Wolken bau’n!
Von den Erhabenen
Die Seele kann nur höher steigen,
wenn erhaben’ Schönheit, Lachen, Glück
schwer aus uns’rem Leben wächst,
weise Macht gnädig sichtbar wird.
Laßt Eure Erkenntnis lächeln lernen,
öffnet Euch gelassen immer neuen Rätseln,
wendet Euch ab vom gefäll’gen Selbst
zu Eurer eig’nen kreisend’ Sonne hin,
damit Ihr der Erde Schönheit lebt
und Eurer Zukunft Spiegelbild.
Vom Lande der Bildung
Ihr mit Euren tausend Masken,
Eurem überpinselt’ Wissen alter Zeiten,
in wertlos fremder Wirklichkeit,
ohne nur einen Funken Glauben
an Euch selbst und das Leben:
Ihr selbst seid’s nicht wert,
dass an Eurer schwätzend Zeit
Ihr, vertreibend mich, zugrunde geht!
Euch kann ich so nicht lieben.
Übers Meer zu meiner Kinder Land
hin heiß ich meine blähend Segel,
gutzumachen allein an ihnen
diese meiner Väter Gegenwart!
Von der unbefleckten Erkenntnis
Weil Ihr den Menschen nicht
in allem einfach nehmen wollt,
weil Ihr Euch nicht selber traut,
drum ist Eure Liebe so voll Scham,
Euer Geist’ Gewissen ganz nur Schmutz.
Weil Ihr hinter alle Schuld nur
Bilder Eurer Begierde häßlich malt,
drum ist sie selbst Euch schon verlor’n.
Und dieses eig’ne Unvermögen
deklariert Ihr nun als unbefleckt,
bürdet’s Euch und and’ren auf.
Doch wer sich selbst nicht glaubt,
bleibt für mich ein ewig’ Lügner,
kann begierig niemals Schöpfer sein,
aus der Tiefe empor nicht tauchen!
Von den Gelehrten
Die künstlich hoch Gelehrten
in ihren schattig kühlen Hallen
fröstelnd nach Erkenntnis suchen,
Wahrheiten uns beliebig stricken,
Uhrwerken gleich nur Nüsse knacken.
So zermahlen sie das Hohe
bis es nur noch kraftlos’ Staub,
bedacht darauf ein jeder,
eig’ner Mahlstein nur zu sein,
und den noch gar zu überrollen,
der sich unbedacht ‘ne Blöße gibt.
Mit Vorsicht bereiten sie ihr Gift,
um’s mit freundlich’ Lächeln
ins Antlitz uns zu schütten.
Gram sind sie einem jeden,
der das Windrad oben treibt
und in eig’ner Freiheit
nicht ungleich’ Opfer ist.
Selbst wenn wir uns irren,
steh’n wir über ihnen hoch,
und was in uns’rem Sinne,
dürften sie nicht wollen.
Von den Dichtern
Ein unvollkommen’ Traum
in Worte nur gepreßt
als Gleichnis eines Gottes,
soll das alles Dichtung sein?
Kann das genügen noch
in uns’rem dienend’ Kreisen,
uns’rer Seele Verbundenheit
aus Ehedem und Heute,
im Einstmal-Morgen
oder Übermorgen gar?
Verfälschend soll’n sie nicht
unzulänglich uns’re Welt
als Mittler nur beschreiben,
aus eig’ner Erkenntnis
sollen neue Töne sie
ins Leben bringen,
wie einige schon erkannt!
Von den großen Ereignissen
Das was mit Geschrei
groß angekündigt wird,
erweist fast immer sich
als Schall und Rauch,
bleibt im salzig Schlamm
der großartigen Verkünder
nur verlogen stecken.
All die hehren Mächte,
die sich des Lärms bedienen,
sollten auch sich einmal
in die Tiefe stürzen lassen,
daß mit heiterer Tugend sie
neu zum Leben kommen.
Unlauterkeit wird besiegen,
wer die strahlend’ Sonne
hoch im Rücken hat
und aus seinem Herzen
für diese Erde spricht.
Große Ereignisse
werfen ihre Schatten
stille längst voraus.
Die richt’ge Antwort
ohne Dunkel zu erfahren
ist es höchste Zeit.
Der Wahrsager
Müde ward’ auch ich,
gleich den and’ren,
leer gebunden in die Zeit.
Die Brunnen drohen
zu versiegen schnell,
wie es weisgesagt.
Meine blühend’ Erde,
ich sehe dich nicht mehr
vor lauter rostig’ Türen,
deren Schlüssel klemmen
und drum verschlossen sind,
vor berstend’ schwarzen Särgen,
dem höhnenden Gebrüll
der immer-weiter Toten!
Die Zeit bleibt stehen,
sie rinnt kaum mehr,
das Licht erstarb
aus meiner zitternd’ Hand.
Retten kann ich’s nicht
aus meinem neigend’ Leben!
Mein Lebenskampf
droht mir zu ertrinken,
gefangen schmachtet er
in der Burg des Todes.
Verschließen muß ich nun
meine inn’re Seele,
bis ich wieder reden kann
was ich heut’ erahn’.
Von der Erlösung
Ein Wille, der über die Zeit erhebt,
ein Wille, damit das Leid vergeht,
der des Daseins Fesseln bricht,
ein Wille der Macht und Sturm,
der die Trümmer Mensch zusammenfegt,
dem Ehemals und Jetzt die Rache nimmt,
den Zufall aus uns’rem Leben drängt,
ohne selbst sich dabei aufzugeben!
Einer muß sich finden, ihn zu lehren,
damit uns selbst bestimmend er
Höh’res als alle Versöhnung bringt
und er sich zurück besinnt.
Den Buckligen aus dem Volke
brauch ich darüber nicht zu sprechen,
und auch meinen engsten Freunden
muß ich Schweigen noch bewahren,
weil die Antwort ich noch finden muss?
Von der Menschen-Klugheit
Vier Klugheiten über die Menschen
hab’ ich früh gelernt für mich:
Verkleidet sollt Ihr bleiben,
und so sitz’ ich unter Euch,
damit es unverhofft Euch nicht
vor höh’rer Nacktheit graust.
Alles Schlechte in der Welt
muß ich als gegeben nehmen,
denn auch das Allerhöchste,
und selbst in seiner Güte,
wird sich größ’res Böses
immer selbst dazu gebär’n,
und den Seelen Eurer Großen
unbegreiflich furchtbar scheinen.
Die Eitlen unter Euch,
laßt sie, ich hab’ sie gern,
denn Halt geben sie mir
an Euch ganzen Menschen,
und in ihrer Bescheidenheit
eigentlich im Grunde sie
den Glauben an sich lernen.
Ich laß’ mich gern betrügen,
so brauch’ ich nicht zu harren,
bis der Dieb mir endlich kommt.
Auch laß’ ich Euch gewähren,
weil mich sonst zu sehr die Höhe zieht
und den Boden ich verlier’ in Euch!
Die stillste Stunde
Zum Abschied treibt’s mich
in die Einsamkeit zurück.
Viel Schweres ist in mir,
über das zu sprechen
ich noch lernen muß,
dessen große Macht
zu gebrauchen ich
mich überwinden soll,
beherrschen wieder lernen
meinen hohen Willen,
damit über Täler auch
wir wieder springen!
DRITTER TEIL
Der Wanderer
Mein schwerster Weg
steht mir nun bevor,
die letzten Höh’n
kraftvoll anzugeh’n,
die Spuren all’ zu löschen,
die mein liebend’ Herz
in Wehmut hielt.
Die eig’nen Träume
gilt’s zu überflügeln,
um ganz außer sich
den Grund zu schau’n.
Vom Gesicht und Rätsel
Viel hab’ ich bereits gesehen
und viel gestrichen wieder,
wenn die quälend’ Zweifel
trotzig mit meinem Mut besiegt.
Verurteilt, selbst den Stein zu heben,
der mich wieder treffen kann,
fürchte keinen Abgrund ich,
und wenn’s das Leben sei!
Niemand hat sie je zu End’ beschritten,
aber wiederkehrend in einem Punkt
der Vergangenheit ewig’ Weg
und der Zukunft endlos’ Band
verknoten sich im Augenblick,
der tausendmal schon war und uns
und all’ die kommenden Dinge
auf ewig nach sich zieht und neu gebiert?
Wer deutet dieses Rätsel mir
und auch den Traum, den ich gehabt,
wo ein Hirte mit gar festem Biß
von der schwarzen Schlang’ in seinem Mund
zitternd auf meinen Befehl sich befreit’
und hernach umleuchtet lachte,
wie ich’s nie zuvor gehört
und wofür heut’ ich mich verzehr’?
Von der Seligkeit wider Willen
Der Tag geht still zur Neige
und in seinem beugend’ Licht’
verharre ich in zweifelhaftem Glück,
daß meine Lehre Furchen fand
und als zarte Saat ins Grüne schießt,
das in weit’rem Feld kräftig mir gedeiht
und sich selbst und mich
in vollkomm’ne Reife führt.
Du Narr, versteck’ dich nicht
vor des letzten Abgrund’s Tiefe,
deine Liebe zu dir selbst
und deiner hohen Lehre
schwächt den Willen dir,
weiter hoch zu klimmen.
Hinfort mit dir, du Glück,
lauf’ mir nicht weiter nach,
denn auf ungewissen Meeren
seh’ ich das Land noch nicht!
Vor Sonnenaufgang
Oh stummer Himmel über mir,
der in Schönheit Ihn verhüllt
und verbirgt mir deine Sterne:
wie lagst du mir am Herzen.
Doch deine Weisheit sei auch meine,
und weil wir beide zu viel wissen,
reicht wohl ein schweigend’ Blick.
Zwar achten wir die halben Herzens,
aber ich auch alle die,
die weder segnen noch gar fluchen.
Drum bin ich stark zum Ja,
seh’ über allem einen eig’nen Himmel
fest und leuchtend sicher steh’n,
berührt von der Freiheit Ewigkeit,
die weise sich nur selbst geführt
aus des Zufalls unschuldig’ Sicherheit.
Errötend ziehst du dich zurück?,
laß’ den neuen Tag nur kommen!
Von der verkleinernden Tugend
Verwundert stell’ ich fest,
was einstmals groß mir schien,
doch so weit geschrumpfet ist,
dass vor dem ferner Kleinen
wohl bücken ich mich müßt’.
Das Kleine aber, sag’ ich Euch,
als überflüssig verehr’ ich nicht,
noch gar reiß’ ich mich
um den Ruhm aus seinem Mund.
Gegaukelt wird seit eh und je
auf einer wandernd’ Bühne,
wo man im hellen Scheine
die Schminke nicht so sieht.
Bescheidenheit, keine wehrend’ Faust,
ergebend sich dem Glück der Mitte,
mißt das Leben nicht am Grund.
Zu Euch zieht’s mich nicht,
denn weder könnt Ihr nehmen,
noch es auch bewahren,
so habt Ihr Euch ergeben.
Wo wagt Ihr’s mutig schon,
gezinkte Bilder abzuhängen,
eig’nen Willen Euch zu geben?
Euer dienend’ halbes Wollen,
schüttelt’s ab zu echter Tat,
aus der Ihr selbst Euch stärkt,
bevor Ihr Euren Nächsten liebt,
denn gerade was Ihr unterlaßt,
spinnt Euch leblos ein
in der Fischer großes Netz.
Der Tag der Entscheidung naht!
Auf dem Ölberge
Meine glühend’ Kohlen
breit’ auch im kalten Schnee
ich vorbehaltlos ihnen hin,
damit mein wachsend’ Glück
ihren Neid nicht wecken soll.
Mögen sie nur glauben,
ich hätte nun verspielt:
mit meinen warmen Händen
fach’ die Glut bald wieder
tief ich aus dem Inn’ren an.
Vom Vorübergehen
Auch wenn ich Dich
mit meiner Sicht bekehrt’,
so bleibst Du doch ein Narr,
wenn so zu dieser Stadt
Eintritt mir verwehren willst.
Zwar ekelt’s mich, gleich Dir,
vor falscher Frömmigkeit
und elend’ Heuchelei,
vom Worte-Klauben
und anstellig’ Buckelei.
Jedoch, ich find’, daß auch Du
in Deiner Lust nach Rache
und weil sie Dir nicht schmeicheln,
nicht mal ein Narr gar bist.
Wär’s aus Sorge, daß Du warntest,
und nicht aus Deinem Haß!
Aber so: um sie und Deinesgleichen
einen Bogen muß ich schlagen,
denn wo man nicht mehr lieben kann,
da ist besser vorbei noch geh’n.
Von den Abtrünnigen
Ein wenig älter,
ein wenig kälter,
Wenige nur mit langem Mut
die meinen harten Weg
auch zu ihrem machen wollen,
dem Alltag und dem Zwang
ihren Stempel stehlen
und nicht gleich welken Blättern
mit jedem Windstoß flüchtig sind.
Viele, die mir lechzend folgten,
haben sich zurückbesonnen,
und mit scheuem Blicke
sieht man sie heimlich beten
und unter’m Kreuze spinnen.
And’re gehen auf die Suche
nach Dingen, die es längst nicht gibt,
die ewig schon verblaßten,
rühren noch in Fragen,
über die schon die Götter lachten,
ehe einer sie vertrieb.
Die Heimkehr
Besser fühl’ ich mich
in meiner Einsamkeit,
in die ich gern’ entflieh’
vor den oberflächlich’ Reden,
die zerpflücken und zerreden nur
und kommen nie zu Ende.
Verlassen fühl’ ich mich
in diesem täglich’ Treiben,
wo dem Mensch die Freiheit fehlt
in aufgebürdet’ Zwängen,
wo das Mitleid lügen lehrt
und besser ist’s, sich zu verbergen.
Von den drei Bösen
Diese Welt als endlich’ Ding
bleibt Stein genug zu drehen
in der Weisen liebend’ Hand.
In diese will ich nehmen
aus meinem Traum die Waage
und in die Schale legen
was die meistverfluchten
menschlich’ Werte sind.
So will ich denn mal drehen
Worte, die allen gut bekannt,
und dann sollt Ihr mir sehen,
daß die anrüchigen Gesellen
des Wollens, Herrschens und des Selbst
eine blank’re Seite haben,
die Euch erkennend’ Spiegel sei.
Seht Ihr sie wie die Schwachen
oder Eure hintergründig’ Lehrer,
dann sollt Ihr sie verachten
und die’s gezeigt noch obendrein.
Mit mutig starkem Blick jedoch,
aus freiem Herzen ohne Feig,
da wird die Lust zum Wollen,
zum Zukunftsdank ans Jetzt
und zum Wein des höh’ren Glücks,
da wird der Drang zum Herrschen
einer glühend’ Liebe gleich
angefacht zum Widerstand
gegen harte, eitle Herzen,
da wird die Freude an dem Selbst
zum geschmeidig’ Leib des Tänzers,
der verächtlich alle Klagen bannt,
der keine Schwüre will, nur Taten,
der mit mächt’ger Seele wehren will
der Demut und Gefällig-Sein.
Diesen Blicken widersprechen?
Das können nur die Müden wollen,
die mit feigen breiten Lippen küssen,
die den großen Mittag fürchten,
den ein heilig’ ICH Euch bringt!
Vom Geist der Schwere
Vom Geist der Schwere,
dem ich wie ein Vogel fremd,
will ein Lied ich singen,
ohne daß man groß
mich dazu erwärmen müßt’!
Große Bürden haben klug
sie auf die Schultern uns gelegt:
Verzicht auf Sorge um uns selbst,
mit dem Nächsten lieber leiden,
damit man uns vergeben kann,
wenn an Gut und Bös’ wir scheitern.
Vieles, was uns doch nur fremd,
übertüncht der Vielfalt Seele.
Drum übe sich in Ja und Nein
und entwöhne sich dem Werten,
der seinem Ich das Laufen lehrt,
damit er einstmals fliege!
Das ist nun der weite Weg,
den ich für mich beschreite,
der Eurige, so frag’ ich, wo?
Ihr könnt soviel noch fragen:
alleine müßt Ihr geh’n,
d e n Weg nämlich,
den gibt es nicht!
Von alten und neuen Tafeln
Viele Tafeln sind zerbrochen,
an neuen feil ich wohl,
warte bis die Stunde kommt,
derweil Bilanz ich zieh’.
Als ich zu den Menschen kam,
sie dünkten sich zu wissen,
was ihnen gut und böse sei.
Aus ihrem Schlafe weckt’ ich sie,
die schaffend’ Kraft zu zeigen,
die der Erde Sinn erst gibt
und ihre Zukunft weiht.
Einem Narren manchmal gleich
schrie ich meinen Zorn hinaus,
hieß sie ihren düst’ren Weisen
die morschen Stühle wegzuzieh’n.
Meine Sehnsucht riß mich fort
zu nie geschauten Träumen,
sah die Welt in ihrem Pulse
aus ew’ger Flucht und Wiederkehr,
sah die Freiheit nur erblüh’n
wo sie mit eig’nem Stachel spielt’,
sah den Geist der Schwere
aus Folg’ und Zweck
in Zwang und Not nur führ’n.
Aber muß nicht sein,
über das man sich erhebt?
Ja, den höh’ren Menschen
lehrt’ ich Euch zu schau’n,
Brücke hieß ich sie,
nicht nur and’rer Zweck,
um die eig’ne Zukunft
schaffend zu gestalten
und die Vergangenheit
aus Eurem Willen zu erlösen.
Meiner Lösung harr’ auch ich,
denn der Sonne gleich
möchte’ ich in Euch untergeh’n.
Neue Tafeln hab’ ich hier,
jedoch, wo sind die Brüder,
die ich nicht schonen wollt’
auch in den fernsten Winkel hin
eilig kündend sie zu tragen?,
denn vielfach sind die Wege,
die ihr Geist durchqueren muß,
bevor er eine Stufe klimmt.
Deine Nächsten bring’ in Schwung,
weil das nur recht und billig ist,
damit sie selbst nur sich gehorchen
und zertreten fremd’ Befehle.
Schnürt das Leben uns nicht ab,
denn wir woll’n es gerne leben,
und was es uns verspricht,
das wollen wir ihm halten.
Genießen kann man nur,
wo ohne prahlen
man zuvor gegeben.
Neuerer fanden immer noch
ihre neunmalklugen Henker.
Aber diese werden untergeh’n,
wenn wir in hell’rem Lichte
über ihnen auf der Brücke steh’n.
Wahrheit ist selten so
wie die Guten reden,
wie sollt’ sie auch,
denn nachzugeben
hätt’ sie nicht nötig.
Und wer nur gehorcht,
der hört sich selber nicht!
Stellt ihre Wahrheit nur
gelegentlich auf die Probe,
wie sie zum bedachten nein
und mut’gem Wagen stehen,
ob sie Lebend’ges in sich hat,
oder ob es grad’ nur Wissen,
das böse um’s Gewissen wuchs:
und dann zerbrecht mir
ihre alten rissig’ Tafeln!
Zu leicht verfälscht sich der Blick
wenn ständig wir nur hangeln
an schnell gespannten Seilen.
Sie leiten uns in ausgesuchte Bahnen,
an die schnell wir uns gewöhnen
und zu uns’rer Richtschnur nehmen
für das, was gut und böse sei.
Wenn sich dann der Umstand gibt,
daß unter uns’ren Füßen sich
der Grund aufmal verfestigt,
so begrüßen wir’s auf’s beste,
als hätten wir’s nur so
und anders nicht ersehnt.
Aber wenn der heiße Sturmwind kommt,
an den Brücken reißt, den Banden,
sich in uns’ren festgestampften Boden wühlt,
wer sollte dann nicht zweifeln müssen,
daß alles so fest nicht zementieret,
daß es veränderbar nicht wär’?
Brüder, laßt den Sturmwind sausen,
damit er Heil und Warnung sei!
Die Sterne bannen dich
in ein vorgezeichnet’ Leben,
das dein Schicksal gehen muß.
Dies blieb wahr viele Jahr’,
bis die Welt man reformierte
und die Freiheit gab
mit eig’nem Willen uns
zum wahren Gut und Böse
dienlich zu entscheiden.
Aber so wie über Sterne sie
lediglich bisher gewähnt,
so gilt’s auch für die Lehre
und ihrem Licht für uns.
Daß Raub und Vernichtung
Elemente in allem Leben
und in höh’rer Stufe meist
von ihm gemieden wird,
ist wohl aller Art.
Heil’ger Widerklang
setzt es ab in falsche Tiefen,
so daß der Wahrheit Spruch
zu einer Farce wird,
die sich allzuleicht nur
gegen alles Leben stemmt.
Korrigiert mir diese Tafeln!
Einer, der nicht weiterdenkt
oder der die Nadeln an sich riß,
hat in jeder Epoche noch
das Vergang’ne aufgeribbelt
und dann daraus gestrickt
sein eigen’ Hemd der Mode.
Solch’ Verflachung abzuwehren
bedarf es edler Streiter
und der Erhabenheit von vielen.
Verbriefter Adel ist ein Papier,
das mir in den Händen gilbt,
Eure Ehre zeige sich in dem,
wohin Euch führt der eig’ne Wille,
ohne daß an Eurem Wege
schwarze Kreuze Ihr uns malt.
In die Zukunft lohnt’s zu schauen,
Eurer Kinder Land sollt Ihr lieben,
gutzumachen an Euren Söhnen,
daß Ihr Eurer Väter Kinder nicht nur wart!
Leben sei nur leeres Stroh
und eitel sei’s zu wollen?
Wenn Ihr es Weisheit nennt,
wo ich noch die alten Flegel seh’,
dann plappert Ihr wie Kinder
und eitel wohl nur Eure Angst.
Diese Lehre macht nicht froh
und wird fortan gestrichen!
Ekel gibt’s in dieser Welt,
wer wollte das bestreiten,
aber die ganze Menschheit
darob nun zu verdammen,
das schaffen die wohl nur,
die jeden Tag ein reines Hemd
sich vornehm reichen lassen,
damit man keine Ränder sieht.
Wir werden selbst uns Flügel schaffen
und zum Beß’ren noch befrei’n,
während die Reinen nur bedacht,
ihren Kragen noch zu stärken.
Die Welt laßt sein,
weil es ein beß’res Reich
irgendwo im Raume?
Ihr spinnt ja wohl!
Was ich hab’, das ist mein
und mach ich mir zu eigen!
Das Nichts zu predigen
gehört in die Welt der Müden,
die ohne zu trainieren
zu schnell gelaufen sind
und jetzt am Herz versagen.
Wozu gingen wir den Weg,
es ist doch alles gleich:
so hör’ ich sie nur jammern
mit unterwürfig’ Blick.
Aus solchem Teufelskreis
führt nur der eine Weg:
an das eig’ne Horn gefaßt
und nur richtig wollen!
Die Erde hängt
Euch raus zum Halse,
aber in den Nachen
steigt Ihr nicht:
Ihr täuscht Euch selbst
und dünkt Euch schlau.
Faulet nur dahin,
wenn Ihr mir nicht
lustig laufen wollt,
und findet neue Verse,
Euren fehlend’ Mut
schön noch zu besingen!
Der Faulen Müdigkeit
und des Tapf’ren Gähnen,
verwechselt’s nicht!
Drum, meine Brüder,
den erschöpften Helden,
laßt ihn ruhig liegen.
Die faulen Schleicher nur
haltet ihm vom Leibe,
des Schweißes Perlen ihm
heimlich nicht zu stehlen
bis er sich erholet hat
und weiter will zum Ziele.
In immer klein’ren Kreisen
steigen wir der Spitze zu,
und in uns’ren Wunden
ziehen wir so manch Gewürm,
das aus uns’rer Seele frißt,
die frei ins Werden taucht
und den fliehend’ Dingen
Halt im Strome gibt.
Alles hat noch seine Zeit,
nach der es fallen muß
und wo man besser stößt
es selber noch mit ab,
denn nur vom Boden her
kann hoch man fliegen!
Die Welt hat sich verändert:
wie die feigen Krämer nun
die Völker sich belauern,
um aus dem Kehricht selbst
Vorteil noch zu zieh’n.
Was Volk sich heute heißt;
die Besten läßt es liegen.
Denn die fordert nicht
der Lärm der Pauke
und die Fahn’ im Winde.
Wo ist der stolze Gegner
ihnen denn geblieben,
fair zu messen sich
im strebend’ Kampfe,
damit das Beß’re dann
der Herrschaft Platz
beziehen kann?
Mit schnellen Schritten
hat der eilig’ Mensch
die Vorfahr’n eingeholt
und ihnen abgenommen
was selbst ihm nützlich ist.
Bevor er, einem Vogel gleich
in die Luft noch steige
und höh’re Ziele
sich ihm bieten:
stutzet ihm die Flügel,
damit er’s schwer erfahre,
daß Arbeit Raub nicht sei
und verdienstvoll
wär’ es ohne Listen
menschlicher zu sein.
Lebensmut und Sorge
soll Mann und Weib verbinden,
und Tanz soll ihnen beiden
in Kopf und Beinen sein.
Verloren sei uns jeder Tag,
wo nicht getanzet wurde,
und falsch die Wahrheit wohl,
die nicht mit uns lachen kann!
Gar zu schnell gesiegelt
ist auch rasch erbrochen:
redlich nenn’ ich drum,
die sich auf die Probe stellen,
im Zweifel auseinandergeh’n,
oder – sonst beschwingt in Liebe
gemeinsam sich erhöhen.
So manches Beben schon
hat neue Quellen freigelegt,
aus denen wir gekostet
auf uns’rer langen Suche
nach der inn’ren Kraft
und strebend’ Wurzel,
die nur selbst sich beugt
und keinem so bequemen
Himmelbett-Vertrag.
Gut und Böse haben sie sortiert,
geben’s aus als einzig’ Werte,
über die als unerbittlich’ Wächter
sie auf alle Zukunft sich bestellt:
ein Anfang, der sich selbst zerstört
und sich um die Chance bringt,
über Wolken herrlich je zu tanzen!
Verstandet Ihr es wohl,
daß Gefahr Euch droht
alleinig von den Guten?
Vor solchen Worten zittert Ihr?,
weil die Ufer habt verlor’n,
deren Ihr so sicher wart?
Setzt alle freien Segel nur
und lernet auch im Sturme
allein nach vorn zu seh’n!
Auf den Willen von Jahrtausenden
werden die wie auf Erz nur schreiben,
in deren Herz kein Leugnen ist,
und die sich selbst ihr Schicksal geben
aus eig’ner harter schaffend’ Hand!
An Kleinem soll mein Wille
sich unnütz nicht verschwenden,
auf das Große soll er sich bereiten,
in dessen Sieg er selig selbst verbrennt!
Der Genesende
Einen tief’ren Gedanken
hab’ ich nie gedacht,
er drängt heraus
aus meiner Seele:
ich kann ihn nicht mehr halten,
würgend steigt er hoch: oh Ekel!
Mein Schicksal hab’
deutlich ich geseh’n:
ewig wiederhol’ ich mich
in dieser gleichen Form,
zerbrech’ ich mich
in meinem ewig’ Los,
das jedesmal genau
ich so herbeigeführt.
Von der großen Sehnsucht
Das Heute hab’ ich Dir verbunden
mit dem Einst und Ehemals,
gelehrt hab ich Dich, o Seele,
mit Ja und Nein ein Recht zu gründen
in Deiner eig’nen Zukunft Dir.
Jede Sonne goß ich auf Dich,
jede Nacht und jedes Schweigen,
damit Du reich und schwer mir wurdest:
mußt Du mir danken, daß ich gab,
muß ich Dir danken, weil Du nahmst?
Nun willst Du lieber lächeln
als in Leid Dich auszuklagen?,
so sing’ uns denn, und mich laß danken!
Das andere Tanzlied
In Dein Auge schaut’ ich,
bittersüßes Leben Du,
zu Dir sprang ich,
– ach, Du flohst,
vor Dir floh ich,
– ach, Du locktest,
Jäger glaubt’ ich mich:
stolpert’ über’n Stein!
Aber warte nur:
Dir werd’ ich’s zeigen!
Als Dein Leben weiß ich,
daß Du nicht besser bist,
als ich es bin zu Dir.
Bloß treu auch sein,
willst Du nicht,
und zu nächtlich’ Stunde
seh’ ich ahnungsvoll,
daß Du mich verläßt!
Oh, Du weißt,
was niemand sonst bekannt?!
O Mensch! Gib Acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
„Ich schlief, ich schlief -,
„Aus tiefem Traum bin ich erwacht: –
„Die Welt ist tief,
„Und tiefer als der Tag gedacht.
„Tief ist ihr Weh -,
„Lust – tiefer noch als Herzeleid:
„Weh spricht: Vergeh!
„Doch alle Lust will Ewigkeit -,
„- will tiefe, tiefe Ewigkeit!“
Die sieben Siegel
Als zündend’ Wolke
regnet’ ich Euch nieder,
aus geborst’nen Türmen
schuf hier auf der Erde
ich den Göttertisch für uns:
und aus uns’rem Lachen
gebären wir aus Zeit und Raum
das Konzert der Ewigkeit!
VIERTER UND LETZTER TEIL
Mitleid führt auf falsche Wege
und Gott selbst verwischt sich
in den eig’nen Tod.
Das Honigopfer
Meine Frucht ist reif
und von den Höhen
laß’ ich tropfen
mein honigsüßes Glück
langsam in die Tiefen.
Als Fischer auf dem Berge
werf’ ich so die Köder aus,
in die Menschen-Meere,
um heraufziehend sie
von aller Geißel zu befrei’n.
Der Notschrei
Schatten fallen auf mein Glück,
ich hör’ vereinzelt Schreie
aus gequälten Menschenkehlen
und werd’ dem Trauersack beweisen,
daß die Bess’ren nur bedränget werden.
Gespräch mit den Königen
Im Wald versteckt erreicht mich Kunde
von der Welten Vielfalt und Verfall,
seh’ nur zwei nach jenen wirklich suchen,
die mit redlich’ Macht im Lichte steh’n.
In vergang’nen Zeiten ward geregelt alles
durch der Schwerter schneidig Klang.
Ist’s der gleiche Waffengang,
zu dem aufgerufen ich im Frieden?
Harret meiner, bis ich bald zurück:
warten ist keine Ungeduld,
sondern gereicht heut’ mehr zur Tugend!
Der Blutegel
Wie ich wandert’ tiefer in den Wald,
ein fremder Mensch kam mir gelegen,
der sein eig’ner Narr wollt’ sein
eher als ernannter Weiser,
vorzieht, schmerzlich bis auf’s Blut zu geh’n
in seinem redlich strengen Geiste,
und der über den verkündeten Geboten
einen höh’ren Bogen kommen sieht.
Auch ihm empfahl ich mein Zuhause,
bis ich zurück vom Lindern tiefer Not.
Der Zauberer
Der Gestürzte hinter diesem Felsen dort,
ist das der Höhere Mensch
in schlimmem Schrei und seiner Not?
Vom ewig unfaßbaren Gott
gibt er an, er sei gejagt,
wie durch einen Dieb
um seinen Stolz beraubt,
nackten Herzens und ohne Liebe;
fordert seine Nähe ein
und daß Gott sich ihm ergäbe,
verzehrt sich nach seinem Henker
und in gleichem glühenden Verlangen
soll sein Schmerz verschmelzen
im letzten großen Glück.
Deinem Jammern sollt’ ich glauben,
auf die Probe wolltest Du mich stellen?
Auch wenn ich ohne Vorsicht bin,
hab’ als Zauberer doch dich gleich erkannt,
seh’ den Ekel wohl an deinem Munde kleben
und wie mit deinem Geflecht aus Lügen
selbst dabei dich nur entzaubert hast!
Du wolltest ja ein Großer sein,
ich glaub’s dir wohl,
und das ist auch das Einz’ge.
Geh’ nur hinauf in meine Höhle
zu suchen, wen du finden möcht’st,
ich für mich sah noch keinen Großen.
Viele Aufgeblas’ne wohl,
die alsbald die Luft verlor’n.
Was ist da noch groß, was klein
wenn man sich nur den Schreiern streckt?
Außer Dienst
„Meinen Gott sah ich sterben,
kannt’ all die Heimlichkeit
seiner fordernd’ Liebe
und falscher Richter Schnur,
sah, wie er erstickt’
als alter Gott
mit zweifelhaftem Sohn.
Deswegen sucht ich hier zu finden
Den Frömmsten noch von denen,
die aufgehört, ihm noch zu glauben.“
So sprach sein nächster Diener,
ich aber sag’ es ihm und allen:
ein Gott stirbt nicht nur einen Tod,
vor allem, wenn er so gesündigt
und seine verzogenen Geschöpfe
es ihm auf ewig noch vergelten sollen.
Der alte Gott, er hat versagt,
und ist keiner, der ihn wieder weckt!
Der häßlichste Mensch
Keine Not mehr fand ich heut
und wohl bewahren will ich nun
die guten Worte, die ich hört’!
Dieses Tal, in das ich nun getreten,
war ich nicht schon früher dort?
Und diese Mensch-Gestalt,
die dort aus der Öde quillt
und der aus erstickter Gurgel
röchelnd das Bekenntnis kommt,
daß er der mordend’ Rächer sei
an dem Zeugen aller Welt?
Der in Scham verbrennt
Weil Mitleid ihn erdrückt
aus kleinen grauen Herzen,
die nur einer einzig’ Wahrheit
von dem Gott hörig sind,
der in alle unsere Winkel sieht?
Ja, du häßlicher Mensch,
so tu es denn mir nach,
und in Stolz und Klugheit
lerne mit mir durch die Tat!
Aus Verachtung deiner Eigenliebe
nur kann Höhe dir erwachsen
und in der Überwindung
deiner selbst.