ABC-Etüden 14-18.24 – Unendliche Geschichte


Vorspann:

Vor ein paar Tagen auf der Fahrt zum Einkaufen hörten wir im Radio die Nachricht, dass in der Nähe von Frankfurt/M. ein Polizeiauto, das mit Blaulicht auf dem Weg zu einem Unfall war von einer Frau übersehen wurde, die aus einer Seitenstraße kam. Das Polizeifahrzeug kam durch den Zusammenstoß ins Schleudern, geriet auf die andere Straßenseite und kollidierte dort mit einem Moped-Fahrer, der noch an der Unfallstelle starb. Ein Unfall, also, an dem ein vollkommen Unbeteiligter zu Tode kam. Meine Frau sagte: und der vielleicht nur Brötchen fürs Frühstück holen wollte. Ich spann dann weiter: weil vielleicht die Schwiegermutter zu Besuch war und diese angereist war, weil sie Probleme mit der Schwester hatte …… und so könnte man eine endlose Geschichte daraus konstruieren. Ja, sagte meine Frau, ähnlich wie früher in der Sesam-Straße: die Was-passiert-dann-Maschine.

Und das war dann der Ansatzpunkt, mal für die Etüden eine Verwicklungsgeschichte in einem einzigen Satz zu schreiben.

 

Bild von theTrueMikeBrown auf Pixabay

Unendliche Geschichte

 

Der Schreck fuhr ihr in die Glieder, sie zitterte und stach sich mit der Nadel in den Finger, denn Egon hatte sie harsch angemault, sie solle Bier holen, weil sein Freund Herrmann zu ihnen unterwegs sei und der wolle mal sein Herz ausschütten, weil er Ärger mit seiner Frau gehabt und die blöde Kuh ihm mit süßlichen Worten gesagt habe, er solle mal lieber Land gewinnen, wenn er weiterhin die Hälfte seines Lohnes im Casino verspielen wolle und sie deswegen die auf Anschreiben gekauften Lebensmittel und Klamotten nicht bezahlen könne, die sie für ihre schwangere Tochter gekauft habe, weil deren Ex ihr keinen Unterhalt mehr bezahle, das Kind aber vor Hunger geschrien habe, worüber sich schon die Nachbarn aufgeregt hätten und laut fluchend im Begriff gewesen seien, die Polizei zu rufen, die dann möglicherweise umgehend in der Wohnung aufgekreuzt wäre und bemerkt hätte, dass ihr Ex sie geschlagen hat und sie dann mit Sicherheit erzählen würde, dass er ein Dealer war und die Polizei daraufhin logischer Weise das ganze Haus durchsucht hätte und dabei all die Sachen gefunden hätte, die Hermann selbst so in den letzten Wochen zusammengeklaut hatte und was dann bedeutet hätte, dass sie ihn mit aufs Revier genommen und festgestellt hätten, dass er noch unter Bewährung sei und er vielleicht sogar in Beugehaft genommen wäre, und dieser Gefahr müsse Hermann sich selbstverständlich entziehen und hier für ein paar Tage eine Bleibe finden, damit er wieder zur Ruhe kommen könne, auch wenn er wisse, wie sie unter Druck stünde, weil ihre Freundin Paula ihr wegen der Änderungen an ihrem Hosenkleid so viel Druck gemacht habe, dass alles noch heute fertig sein müsse und sie deswegen wohl vergessen habe, den Fingerhut beim Nähen aufzusetzen, was ihm natürlich sehr leid täte und er sie gar nicht so habe anmotzen wollen.

 

Bild von 愚木混株 Cdd20 auf Pixabay

15 Comments

  1. Egon soll mal lieber aufpassen, dass bei ihnen nichts fehlt, wenn Hermann fluchend wieder abgezogen ist, weil er trotz süßlichen Gelabers höchstens einen Fingerhut voll Mitgefühl geerntet hat 😉
    Toll, so ein Bandwurmsatz! Danke dir für die Etüde!
    Nachmittagskaffeegrüße 🌦️🌿🎶☕🍪

  2. die Illustration ist auch famos.

    Tragisch die Geschichte von dem Mopedfahrer. Dass sind so Momente, wo man sich fragt, warum man sich überhaupt je Gedanken übers Sterben macht. Der Tod ist einfallsreich, nie wird man ihm auf die Schliche kommen.

    1. Ja, es kann einen zu jeder Zeit ganz unverhofft und „unverdient“ treffen. Unsere Gedanken gehen ja auch wohl eher nicht hin zum Sterben, sondern fokussieren sich eher auf (die Versprechen) DANACH.

  3. Der Satz ist bewundernswert durchgezogen.

    Die namenlose Sie könnte aber einfach ihre Näharbeiten nehmen und sich damit in einem anderen Raum beschäftigen, als in dem, wo ihr Gatte und sein Kumpel bemitleiden soll. Es lohnt sich als Frau nie, dabeizusitzen, wenn Männer über Frauen herziehen, die sie angeblich grundlos schlecht behandelt haben.

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