ABC-Etüden 36-40.24 – Verblasst


Bild von Tumisu auf Pixabay

Verblasst

 

Als ich vierzehn war,

da bist du einfach gestorben.

Hatte dich kaum gekannt,

hatte nur darunter gelitten,

dein Sohn zu sein,

weil du mit einer anderen gelebt hast

und ich dich immer nach Hause holen musste.

Zur Beerdigung habe ich schulfrei bekommen.

Eine Grenzerfahrung war es nicht,

als die Schaufeln Erde auf dich niedertrommelten.

In dem Moment hätte ich mir gewünscht,

mutiger gewesen zu sein

und mich nicht weg zu ducken,

alleine schon für Mama.

Sie hat dich nie abgehakt,

immer gehofft,

immer verziehen,

Halt gesucht in uns

und dafür verzichtet.

Vor vielen Jahren schon

ist sie dir gefolgt.

Ich weiß nicht,

ob man sich dort versöhnen kann

und ob es überhaupt noch wichtig ist.

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9 Comments

  1. Wäre es denn wichtig für den Protagonisten, dass sein Vater Einsicht zeigt, vielleicht sogar Reue? Würde er wollen, dass sich die Eltern versöhnen, und wenn ja, warum? Für wen?
    Viele offene Fragen.
    Danke dir für die Etüde.
    Abendgrüße ☁️🌧️🎶🍵

      1. Hab ich erledigt. Ging nicht vorher. Ich wohne in einem 380-Seelen Dorf und wenn da zwei Leute gleichzeitig telefonieren, habe ich kein Internet mehr und muss warten, bis die ins Bett gehen.

    1. Hallo Christiane, wie Du wohl vermutet aber diplomatisch umgangen hast: der Protagonist bin ich. Und ich kann Dir ehrlicherweise keine Antwort geben. Natürlich war die Situation mehr als befremdlich und auch belastend für mich. Auf der anderen Seite hat er wohl mehr Anerkennung und Zuspruch bekommen, als Zuhause und deswegen diese Zweigleisigkeit gewählt oder gebraucht. Damals hat man auch nicht über solche Sachen und insbesondere Gefühle gesprochen und mein 8 Jahre älterer Bruder hat sich durch eine frühe Heirat „vom Acker“ gemacht und nie etwas dazu bemerkt. Die ganze Last und Sorge lag auf meiner Mutter. Ich verstehe auch die damaligen Hintergründe nicht genau, einfach, weil ich keine detaillierte Kenntnis davon habe. Und ich fühle mich auch nicht als Richter. Das steht mir nicht zu. Es kommt halt nur auf den Teller, weil man sich fragt, was man denn in seinem Leben an Grenzwerten erlebt hat.
      Und dann dachte ich, dass ich schon Gedichte/Geschichten über meinen Großvater, meine Frau, meine Kinder, den Großvater meiner Frau geschrieben hätte und vielleicht doch auch einmal etwas über meine Erzeuger bringen sollte, denen ich ja doch mehr als nur das Leben verdanke.

      1. Ja, klar, konnte man vermuten. Aber es ist eigentlich egal, mich hätten die Antworten auf die von dir aufgeworfenen Fragen interessiert, auch wenn sie immer subjektiv sind und sein müssen. 🤔

        1. Im Blick auf Versöhnung müsste ja ein Wunsch da sein, das zu wollen. Das trifft sicherlich für meine Mutter zu, die ihn trotz allem geliebt hat. Mich treibt dieser Wunsch ehrlich gesagt nicht so sehr um.

  2. Im Alter von vierzehn Jahren die Beerdigung eines Elternteils durchstehen zu müssen, ist schon eine Sache, die schwer zu verarbeiten ist, und die Grübeleien darüber, ob die Möglichkeiten für Aufklärung und Verständnis nun wirklich alle verpasst sind, beschäftigen sicherlich nicht nur den Jugendlichen immer wieder. Gedanken über „Was-wäre-gewesen-wenns“ sind alterslos.

    Schliesslich ist das kulturelle, geistliche Umfeld, in dem unsere Altersgruppe aufgewachsen ist, keines, das von einer universellen, unpersönlichen Rückkehr in den natürlichen Kreislauf und allenfalls ein spirituelles gemeinsames ausgeht, sondern ist personenbezogen jenseitsgläubig. Das bindet die Lebenden entweder in das anerzogene Glaubenssystem oder macht eine Loslösung davon wegen der persönlichen Aspekte und Wünsche, dass alles irgendwie noch gut wird, womöglich schwerer.

    Die Grenzerfahrungen, sind, denke ich, nicht die Trauerfeiern, sondern die darauf folgenden Gratwanderungen, die man ambivalent zwischen eigenen Vorstellungen und denen der anderen zu beschreiten hat.

    1. Ich glaube, Du hast recht mit dem was Du dargelegt hast. Der Tod hat ja nur etwas besiegelt, was ohnehin sich schon lange vollzogen hat, den Verlust des Vaters als Vater, als Vertrauensperson, als Vorbild. Insofern war die Grenzerfahrung ja schon lange vorher erfolgt.
      Die schwierige Zeit setzte dann auch erst später ein, als man nach einer gewissen „Genugtuung“ dann immer wieder in nachdenkliche Phasen eintrat zwischen dem was üblicherweise erwartet wurde und dem, was man selbst für sich als Wertetableau ausgemacht hat.

      Danke für Deine ausführliche Sicht!

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