Er hatte es bei Wilsberg gekauft, in Bielefeld, der Stadt, von der immer wieder behauptet wird, es gäbe sie in Wirklichkeit gar nicht. Sie sei nur ein fiktiver Punkt auf den Landkarten.
Es war ein dicker Foliant, der Buchrücken war an mehreren Stellen beschädigt. „Hoffentlich kriege ich das altersschwache Ding heil nach Hause“, dachte er. Jahrelang hatte er dem Buch nachgespürt: „Zauberwelten“ von Adam Weishaupt, erschienen 1771. Dazu hatte er ein postkartengroßes Aquarell geschenkt bekommen: „Das Haus der geheimen Spiegel“. Das könne er doch sicherlich gut als Lesezeichen verwenden, hatte Wilsberg mit einem Augenzwinkern gemeint. „Nun ja“, hatte er geantwortet, „ich kann’s ja mal versuchen.“
Zurück in seinem Haus, setzte er sich an den alten Schreibtisch und begann, in dem Buch zu blättern. Vorsichtig legte er Seite um Seite um, verharrte einen Moment, blätterte weiter. Er wollte sich zuerst einen Gesamteindruck verschaffen. Doch dann stockte er, Seite 144: wenn man länger drauf schaute, fingen die Buchstaben an zu hüpfen, von hier nach dort und im Kreis herum. Ganz plötzlich bildeten sie einen neuen Text mit Gedanken, Stimmungen, Geschehnissen von dem, was am Vortag passiert war. Verwirrt klappe er das Buch zu. Das war heute wohl alles zu viel gewesen für ihn. Morgen war ja auch noch ein Tag.
Aber es passierte wieder das Gleiche, mit dem Unterschied, es ging dann jeweils noch einen Tag weiter zurück.
„Wann sollte das enden“, fragte er sich, „und wann habe ich keinen Einfluss mehr, keine Möglichkeit, es rückwirkend zu ändern, zurück zu nehmen, die Worte wieder einzufangen? Wie weit bin ich verantwortlich, nicht für das, was damals passiert ist, aber die Verantwortung, daraus zu lernen und in die Zukunft weiter zu geben?“
Er lehnte sich zurück. Hin und her gerissen, zwiespältig. Langsam begann er daran zu zweifeln, dass es Bielefeld wirklich gab.
(299 Worte)
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Ich habe gegooglet: Den Menschen gab es ja wirklich 🙂 Und nun verstehe ich den mystischen Zusammenhang. Sehr cool – das gefällt mir!
Danke. Dann musst Du auch die 144 noch googlen.
Im ursprünglichen Text war noch mehr drin, aber ich musste von knapp 400 auf 299 Runtermützen.
Das mache ich 😊
Boah, bist du aber fix, lieber Werner und wieder sooooo gut.
Danke, Dein Lob freut mich immer besonders.
Wie kommst du an die Illuminaten, lieber Werner, das hätte ich dir ja gar nicht zugetraut? UND Zahlensymbolik UND die Bielefeld-Verschwörung? Ein weites Feld! 😉
Und oh, ich war auch schon in Bielefeld.
Liebe Grüße
Christiane
Ich bin schon immer für alles Geheimnis-Umranktes gewesen.
In welchem Bielefeld warst Du denn?
LG Werner
In dem wirklichen 😎
Muss natürlich Umranktem heissen.
So viel zu entdecken auf kleinstem „Raum“ – gefällt mir sehr gut! 😀
Tolle Geschichte! Hat Spaß gemacht, zu lesen!
LG Sella
Danke Dir!